Tagtäglich werden in Deutschland Ärzte und Kliniken wegen sogenannter Kunstfehler zum Schadenersatz verurteilt, von Amtsgerichten,
Landgerichten, Oberlandesgerichten und vom Bundesgerichtshof.
In der öffentlichen Wahrnehmung ist das Thema Arzthaftung aktueller denn je. Das liegt nicht nur daran, dass heutzutage tatsächlich viel mehr Arzthaftungsprozesse geführt werden als noch vor 20 Jahren, sondern auch daran, dass in den Medien, seien es Zeitungen oder das Fernsehen, sehr viel mehr hierüber berichtet wird.
Dabei fällt auf, dass manche regionale Zeitungen, auch in unserer Region, die örtlichen Krankenhäuser und Kliniken gerne in das allerbeste Licht rücken und sehr darum bemüht sind, jegliche substantielle Kritik, sei sie auch noch so berechtigt, zu vermeiden.
Ein konkretes Beispiel hierzu:
So hat etwa eine große örtliche Zeitung vor einigen Monaten zwar „sehr kritisch“ über die Qualität der im örtlichen Klinikum ausgegebenen Mahlzeiten berichtet und hierbei sogar betroffene Patienten zu Wort kommen lassen, auch solche, die mit dem Essen nicht zufrieden waren. Im gleichen Artikel wurde aber bereits umfangreich darüber berichtet, welche Maschinerie von den Verantwortlichen angeworfen wurde, um diesem Mißstand sofort und endgültig abzuhelfen. Ob dies zwischenzeitlich geschehen ist, hat der geneigte Leser indes bis heute nicht erfahren.
Die betreffende Zeitung berichtet auch seit vielen Jahren immer wieder darüber, wie sich das örtliche Klinikum für die Zukunft fit gemacht hat, welch hervorragendes Qualitätsmanagement dort installiert wurde, welche Kompetenzen es bündelt und welche Abteilungen, wie etwa die Neurochirurgie, neu hinzugekommen sind.
Ja, das ist wunderbar, das finde auch ich.
Aber wer berichtet denn über die auch im örtlichen Klinikum bestehenden Mißstände, die aus einer -alle regionalen Kliniken in Deutschland betreffenden- Finanznot resultieren, die schon viele Krankenhäuser in die Insolvenz getrieben hat? Wer berichtet über einen dramatischen Personalnotstand, gleichermaßen im ärztlichen wie auch im pflegerischen Bereich, der dazu führt dass tagtäglich Fehler passieren, die eigentlich nicht passieren dürften? Wer berichtet darüber, dass in Kliniken Abteilungen geschlossen werden mussten, welche jetzt von niedergelassenen Ärzten, die ihre Praxis außerhalb des Krankenhauses, teilweise sogar in einer anderen Stadt haben, betrieben werden? Wer berichtet darüber, dass nicht in allen Kliniken rund um die Uhr bzw. an Wochenenden/Feiertagen etwa Radiologen vor Ort sind, weshalb verschiedentlich Röntgenbilder/CT’s/MRT’s von Pflegern/Schwestern angefertigt werden, die dann via Internet in ein anderes Krankenhaus versandt und dort von einem Arzt befundet werden, welcher den Patienten noch nie gesehen hat?
Der Verfasser dieses Artikels, welcher seit über 20 Jahren in Kempten (wie auch weit darüber hinaus) als Arzthaftungsrechtler für Patienten tätig ist, hört jeden Tag regelrechte Schauergeschichten von seinen Mandanten und hat in der Vergangenheit wiederholt kritische Leserbriefe an die zuständige Redaktion versandt, in der Hoffnung, dass sie abgedruckt werden, damit die Leserschaft auch einmal einen anderen Blick auf die Dinge bekommt.
Kein einziger dieser Leserbriefe wurde abgedruckt, nicht einmal auszugsweise, und das, obwohl der Verfasser wohl wie kein zweiter Außenstehender mitbekommt, was sich da abspielt.
Schade eigentlich, weil die Aufgabe der öffentlichen Berichterstattung eben nicht in einer nur einseitigen Darstellung besteht. Aber vielleicht erfahren wir ja bald beim morgendlichen Zeitung lesen, dass das Essen im örtlichen Klinikum sich entscheidend verbessert hat und es jetzt keine Klagen von Patienten mehr gibt, abgesehen natürlich von den Nörglern, denen man es nie recht machen kann; das wäre endlich einmal wieder eine gute Nachricht, die wir doch alle so gerne hören bzw. lesen …
Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Benedikt Jansen/Kempten (www.jansen-muehl.de) verfasst.