Weil Gerichte in der Regel keine eigene Sachkenntnis von Spezialmaterien haben, über die sie entscheiden müssen, gibt es die gerichtlichen Sachverständigen. Es handelt sich hierbei um Spezialisten aus dem streitigen Fachgebiet, welche nicht selten -besonders aber in der Arzthaftung- Professoren und Oberärzte aus entsprechenden Schwerpunktkliniken sind, häufig auch aus Universitätskliniken. Diese Sachverständigen sollen dem Richter die erforderliche
Sachkenntnis vermitteln, welche er benötigt, um medizinische Streitfragen, insbesondere die nach einem etwaig vorliegenden ärztlichen Behandlungsfehler, sachgerecht entscheiden zu können.
Auf diese Art und Weise soll sichergestellt werden, dass die Parteien des Rechtstreits insbesondere auch in schwierigen medizinischen Fragestellungen ein Urteil erhalten, welches sich an dem jeweils gültigen Facharztstandard orientiert.
Das setzt natürlich voraus, dass der gerichtliche Sachverständige sein Gutachten absolut unparteiisch erstattet.
Ob er dies aber wirklich in jedem Fall tut, daran bestehen nicht erst seit dem im vorletzten Jahr bekannt gewordenen Fall „Gustl Mollath“ erhebliche Zweifel.
Wir erinnern uns: Mollath war durch einen medizinisch-psychiatrisches Gutachten eines gerichtlichen Sachverständigen als „für die Allgemeinheit gefährlich“ eingestuft worden und war darum 7 Jahre lang in einer psychiatrischen Klinik „weggeschlossen“. Erst nach dieser Zeit kam es zu einer Wiederaufnahme des vormaligen Gerichtsverfahrens, das damalige Gutachtenergebnis wurde revidiert und Mollath wurde freigelassen.
Vergleichbare Erlebnisse aus gerichtlich geführten Auseinandersetzungen um ärztliche Behandlungsfehler könnte der Unterzeichner zuhauf beitragen.
Das Deutsche Ärzteblatt berichtete nunmehr über eine im November 2013 erfolgte Studie zur „Begutachtungsmedizin in Deutschland am Beispiel Bayern“ im Rahmen einer Doktorarbeit an der L-Maximilians-Universität München.
Dabei gaben fast ¼ der befragten gutachterlich tätigen Sachverständigen an, dass mehr als 50% ihrer Einnahmen aus Gutachtertätigkeit stammen.
Mehr als 23% der Sachverständigen gaben an, dass ihnen „in Einzelfällen“ bei von einem Gericht erteilten Gutachtenauftrag eine Tendenz signalisiert wurde, betreffend das vom Gericht erwartete Gutachtenergebnis. Mehr als 33% der Gutachter teilten mit, schon einmal aus dem Kollegenkreis gehört zu haben, dass bei gerichtlichen Gutachtenaufträgen eine Tendenz genannt wurde.
Das ist ein Skandal und hat mit einem neutralen Gerichtsverfahren nichts mehr zu tun!
Unsere Kanzlei wird darum in Zukunft besonders darauf achten, ob sich bei gerichtlichen Sachverständigengutachten Indizien für die beschriebene Vorgehensweise ergeben und bei Anhaltspunkten hierfür mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln kompromisslos hiergegen vorgehen.
Dieser Beitrag wurde von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Benedikt Jansen/Kempten verfasst (www.jansen-muehl.de).